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Thielemann gigantisch! - Billands Blog

Thielemann gigantisch!

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Christian Thielemann beehrte wieder einmal mit seiner „Wunderharfe“, wie Richard Wagner sie zu nennen pflegte, also der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die Wiener im herrlichen Goldenen Saal des Musikvereins. Gestern Vormittag spielten sie zunächst das von Denis Matsuev perfekt und mit größtem Engagement vorgetragene Konzert für Klavier und Orchester a-Moll, op. 16 des in Wien schon zu seinen Lebzeiten äußerst beliebten norwegischen Komponisten Edvard Grieg. Er soll nach Meinung von Hartmut Krones im Programmheft einer der wenigen skandinavischen Komponisten des 19. Jahrhunderts gewesen sein, die über eine lediglich nationale Bedeutung hinausgekommen sind. Der Bergener schuf das Klavierkonzert im Sommer 1868, in dem auch Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ ihre Uraufführung erlebten. Matsuev verstand ebenso eindrucksvoll die Dramatik des Stirnsatzes und das finale Allegro moderato molto e marcato zu interpretieren wie somnambul verträumte Töne für das Adagio im Mittelteil zu finden. Besonders beeindruckte die enge Tuchfühlung mit Thielemann, der weit vor dem Klavier stand und dennoch sowohl das Orchester wie den Pianisten stets im Auge hatte – ein Musterbeispiel an musikalischer Zusammenarbeit!

Dann aber wurde es gigantisch! Thielemann spielte nun in Wien endlich das, was er schon in Dresden wollte und weshalb es dort aufgrund von damaligen Hygiene-Überlegungen eine handfeste Auseinandersetzung mit dem Opernintendanten gab – Ein HeldenlebenTondichtung für großes Orchesterop. 40, von Richard Strauss. Und es wurde eine Manifestation der exzellenten Dirigier- und Musizierkunst von Christian Thielemann und seiner Staatskapelle. Zu jedem Zeitpunkt, und es ging gleich schon mit der „mitreißenden symphonischen Exposition“ wie Krones schreibt, des Stirnsatzes los, war Thielemanns völlige Durchdringung dieses Riesenwerkes der Symphonik erkennbar. So konnte man seinen intensiven Blickkontakt, der bisweilen fast magisch wirkt, mit Instrumentengruppen und Einzelspielern beobachten und die unmittelbare musikalische Antwort umgehend spüren. Dirigent und Orchester waren Eins. Es lag etwas ganz Besonderes in der Luft des Goldenen Saales! 

Hier musizierten ein Dirigent und ein Orchester, die zusammengehören und die sich nun aufgrund einer einseitigen künstlerischen politischen Entscheidung des Freistaats Sachsen trennen sollen, die aufgrund des fast blinden Verständnisses zwischen Dirigent und Musikern kaum bis gar nicht nachvollziehbar erscheint. Und gilt es gerade auf diesem Niveau nicht der Kunst?! Und einer Kunstform, der klassischen Musik, die zurzeit im Überschwang der allgemein grassierenden political correctness-Euphorie bis hin zur sog. cancel culture (das Unwort des Jahrzehnts!) mittelfristig auch unter die Räder zu kommen droht (Oxford lässt grüßen!). Man sollte sich stattdessen freuen und würdigen, dass es auf diesem Gebiet noch solch eine Exzellenz gibt.

Das schien Christian Thielemann nach dem Abklingen des letzten Tones dieses Meisterwerks – ob nun gewollt oder ungewollt – auch optisch zu vermitteln. Er hielt lange den Taktstock wie gebannt, sank wie erschöpft in das Geländer des Dirigierpultes und verharrte so eine überlange Weile, in der man an vieles, was hier relevant erscheint, denken konnte. Das Schweigen im Saal war schier erdrückend. Dann brach sich stürmischer Applaus Bahn, und es geschah ein weiterer emotionaler und denkwürdiger Akt: Thielemann fiel dem Konzertmeister in äußerster Dankbarkeit und Freude um den Hals, und beide umarmten sich innig. Das gibt doch Hoffnung, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, ja – es darf noch nicht gesprochen sein! Es gab auch noch eine Zugabe. 

Man freut sich schon auf den nächsten Besuch der „Wunderharfe“ mit Christian Thielemann im Musikverien. Meine Wenigkeit auf jeden Fall!

Fotos: Klaus Billand

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